Hörbeispiele 2

Ein neues Lied, ein bess’res Lied …“

1. Man gab uns viele schöne Wort’ (1815)
(Worte: Anonym – Weise: U. Otto)

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Der unbekannte Verfasser dieses ersten vorgestellten Liedes, das uns der fränkische Liedersammler und Liedforscher Franz Wilhelm Freiherr von Ditfurth überliefert hat, scheint einer der zahllosen aktiven Teilnehmer der „Freiheitskriege“ gewesen zu sein, der, vertrauend auf die Versprechungen der Landesherren in Bezug auf ein einiges Deutschland mit einer Verfassung und frei gewählten Volksvertretung, in den Krieg gegen die französische Fremdherrschaft gezogen war. Seine angesichts des Wiener Kongresses enttäuschten Erwartungen und Hoffnungen haben ihn zur Schreibfeder greifen lassen.

2. Ein neues Lied, ein bessres Lied (1843)
(Worte: Heinrich Heine – Weise: „Anke van Tharaw“ von Friedrich Silcher, 1827)

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In dem Lied „Ein neues Lied, ein bessres Lied“, welches aus dem Gedichtzyklus „Deutschland ein Wintermärchen“ stammt, in welchem Heinrich Heine Anfang der 1840er Jahre über die Verhältnisse in seiner deutschen Heimat reflektiert und rechtet, die er 1843 nach langen Jahren der Absenz in Frankreich endlich wieder einmal besuchen konnte, hat der Dichter unter anderem auch sein Programm einer zukünftigen Welt dargelegt, in der alle Menschen das Recht auf den Genuss der irdischen Güter und auf Müßiggang haben würden. Bei den von uns mit der Weise von „Anke van Tharaw“ unterlegten Zeilen handelt es sich um eines der meistzitierten und am meisten aufgegriffenen Lieder Heinrich Heines, der auch heute noch einer der bekanntesten Literaten des 19. Jahrhunderts ist. Er gilt als „letzter Dichter der Romantik und deren Überwinder“ und ist nach wie vor einer der meistübersetzten Dichter der deutschen Sprache.

3. Drei Zigeuner (um 1830)
(Worte: Nikolaus Lenau – Weise: „Sally“ von Fabrizio de André & Massimo Bubola)

Nikolaus (Edler von Strehlenau) Lenau (1802-1850) verfasste 1830 sein Lied „Drei Zigeuner“, eines seiner „melancholischen Lieder“ und für uns eines der ältesten deutschsprachigen „Hippielieder“ überhaupt, welches um 1900 zu einer Hymne des „Wandervogel“ und in den 1970er Jahren dann auch von der damaligen Deutschfolkszene wiederentdeckt wurde, standen hier doch seine Apologeten, die Zigeuner, als Symbol der Freiheit und Unabhängigkeit. Mit der tatsächlichen Realität des Zigeunerlebens hat dieser romantische Text natürlich wenig zu tun, hier handelt es sich eher um eine Idealisierung. In Wirklichkeit führten die meisten Zigeuner ein armseliges Leben und wurden angefeindet, wobei später viele Angehörige dieses Volkes während des Dritten Reiches in nationalsozialistischen KZs ermordet wurden. Auch heute noch oder gerade wieder erleben die Zigeuner – Sinti und Roma – häufig noch Diskriminierungen und Verfolgungen in den meisten Ländern. Dies gilt es bei diesem Lied immer mitzudenken. „Die „drei Zigeuner“ wurden unter anderem auch von Franz Liszt vertont, die bis heute bekannteste Vertonung des Liedes aber stammt wohl von Theodor Meyer-Steinegg. Sie erschien uns im Lauf der Zeit jedoch zu „abgedroschen“, weswegen wir dem Text die Weise eines Liedes von Fabrizio de André und Massimo Bubola unterlegt haben, die uns passend erschien und besser gefallen hat. Wir verweisen hier auf die Aufnahmen von Fabrizio de André und von „Trio Salato“.

4. Die Hambacher Sterne (1832)
(Worte: Anonym – Weise: „Es kann ja nicht immer so bleiben“ von A.v.Kotzebue & F.H. Himmel)

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Aus dem Umfeld des Hambacher Festes stammt das Lied „Die Hambacher Sterne“ eines bisher unbekannten Verfassers, dies eine Kontrafaktur auf die Melodie des im Jahr 1802 von August von Kotzebue (Worte) und Friedrich Heinrich Himmel (Musik) verfassten populären Liedes „Es kann ja nicht immer so bleiben“.
Das Hambacher Fest, das vom 27. bis 30. Mai 1832 auf dem Hambacher Schloss bei Neustadt an der Haardt – dem heutigen Neustadt an der Weinstraße – in der damals noch zu Bayern gehörenden Pfalz durchgeführt wurde, gilt als Höhepunkt der frühliberalen Opposition in der Restaurationszeit nach dem Wiener Kongress und des Vormärz. Die Forderungen der ca. 30.000 Festteilnehmer nach deutscher Einheit, Freiheit und Demokratie hatten ihre Wurzeln dabei in der Unzufriedenheit großer Bevölkerungsteile der Pfalz mit der Verwaltung der Region durch das Königreich Bayern, das eine immer rigidere Unterdrückungspolitik verfolgte, um Kritik nicht aufkommen zu lassen. Als Reaktion hierauf und daraus resultierende Druckverbote hatten die Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth Anfang Februar 1832 den „Deutschen Press- und Vaterlandsverein“ ins Leben gerufen, zu dessen Vorsitzenden der pfälzische Abgeordnete Friedrich Schüler gewählt worden war. Dieser Kreis organisierte am 27. Mai 1832 in Neustadt ein „Volksfest“, nachdem politische Kundgebungen von der bayerischen Obrigkeit verboten worden waren. Es fand auf dem nahen Schlossberg statt, der auf der Gemarkung des damals noch selbständigen Dorfes Hambach liegt und wurde zu einer massenhaften politischen Kundgebung, deren Hauptforderungen Freiheit, d.h. Versammlungs-, Presse- und Meinungsfreiheit, sowie nationale Einheit, eine Neuordnung Europas auf der Grundlage gleichberechtigter Völker, Volkssouveränität und religiöse Toleranz wurden.

5. Die Fürstenjagd (um 1835)
(Worte: Kölner der Saure – Weise: Traditionell)

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Bei „Die Fürstenjagd“ handelt es sich ebenfalls um ein Lied aus dem direkten Umfeld bzw. in der Nachfolge des obenerwähnten Hambacher Festes. Das bereits im August 1835 geschriebene Lied „Die Fürstenjagd“, das wir dem Liederbuch „Zehn republikanische Lieder von Kölner dem Sauren, Verfasser der raurazischen Lieder, Basel 1848, S. 3ff. entnommen haben, wobei sich hier allerdings 12 Strophen à jeweils vier Zeilen abgedruckt finden, entstammt der Feder von Johann Rudolf Körner, der es unter dem genannten Pseudonym „Kölner der Saure“ als geächteter politischer Flüchtling in Stäfa am Zirchersee verfasste und dabei die Weise eines Kärntner Volksliedes aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts benutzte.

6. O hängt ihn auf (nach 1832)
(Worte & Weise: Anonym)

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Von „O hängt ihn auf“, einem Lied ebenfalls aus dem Umfeld des Hambacher Festes, das Bekannte von uns in den frühen 1960er Jahren sogar noch in der Schule gelernt und gesungen haben, wobei dies allerdings einen Einzelfall dargestellt haben dürfte, ist uns weder ein Textdichter noch ein Komponist bekannt.

7. Die freie Republik (1837)
(Worte & Weise: Anonym)

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Mittelbar auf den Frankfurter Wachensturm des 03. April 1833 sowie direkt auf die Flucht einiger der daraufhin Inhaftierten am 10. Januar 1837 nimmt das anonyme Lied „Die freie Republik“ Bezug, auf dessen zeitweilige Beliebtheit und Verbreitung eine Vielzahl von Varianten hinweist.

8. Wir sind nicht Mumien (1842)
(Worte: Hoffmann von Fallersleben – Weise: Franz Liszt)
(Hörbeispiel ist nicht verfügbar)

Interessant ist wohl die Tatsache, dass zu den zahlreichen Komponisten, die Texte von Hoffmann von Fallersleben vertonten, auch namhafte und renommierte Tonkünstler wie Franz Liszt gehörten, wobei den Letzteren mit dem Dichter eine lange und tiefe Freundschaft und Geistesverwandtschaft verband. Bei der hier abgedruckten Vertonung von Hoffmanns Text „Wir sind nicht Mumien“ handelt es sich im Original um einen vierstimmigen Chorsatz des Komponisten, den wir – zumal zu Zeiten der Aufnahmen als Duo – nicht in unser Repertoire übernehmen konnten und wollten, wenn uns diese Version auch aus musikhistorischen Gründen sehr interessant erschien. Hierzu existiert also bisher auch keine Aufnahme.

9. Gute Presse und guter Druck (1842)
(Worte: Hoffmann von Fallersleben – Weise: E. Schmeckenbecher)
(Hörbeispiel ist nicht verfügbar)

Aus der Feder August Heinrich Hoffmanns von Fallersleben stammt das Lied „Gute Presse und guter Druck“, in welchem das Zensuropfer Hoffmann (siehe Lied Nr. 13) sich gegen jegliche Bevormundung der Presse durch die Obrigkeit wendet, wobei der Verfasser hier wahrscheinlich das zeitweilige Verbot der „Rheinischen“ sowie der „Leipziger Allgemeinen Zeitung“ sowie anderer missliebiger Pressorgane vor Augen hatte. Die von uns verwendete Melodie, die seinerzeit für das Handwerkerlied „Fordre Niemand mein Schicksal zu hören“ komponiert wurde, stammt von dem Kollegen und verehrten Freund Erich Schmeckenbecher („Zupfgeigenhansel“). Hier seien die „Zupfgeigenhansel“-Aufnahmen empfohlen.

10. Freiheitsbüchlein (um 1840)
(Worte: August Prinz, Hamburg oder Lebrecht Dreves – Weise: „Sah ein Knab’ ein Röslein stehn“ von Heinrich Werner)

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Allem Anschein nach war es der oppositionelle Verleger August Prinz aus Altona, der sein Lied vom „Freiheitsbüchlein“, in welchem er seiner Hoffnung auf die endliche Vergeblichkeit der Zensur Ausdruck verlieh auf die Weise von Goethes „Heideröslein“ verfasste. August Prinz wurde im Juni 1852 verhaftet, als man bei einer Haussuchung bei ihm 57 Exemplare von Heinzens „Brod oder Tod“ gefunden hatte, wie es in einer Eintragung im „Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands vom 01. Januar 1848 bis zur Gegenwart“, Dresden 1856, S. 276 heißt. Anderen Lesarten zufolge soll es sich bei dem Verfasser des anstößigen Textes dagegen um Lebrecht Dreves gehandelt haben, einen Dichter der am 12.9. 1816 in Hamburg als Sohn eines Kaufmanns geboren wurde und am 19.12. 1870 in Feldkirch (Vorarlberg) starb. Dreves besuchte die Hamburger Gelehrtenschule und war seit 1836 in Jena und seit 1838 in Heidelberg Student der Jurisprudenz. Im Jahr 1838 promovierte er zum Dr. jur. und ließ sich 1839 als Advokat in Hamburg nieder. von Dreves war 1847 bis 186 1Notar in Hamburg. 1862 siedelte er nach Feldkirch über. Dreves war mit dem Dichter Joseph Freiherr von Eichendorff befreundet, der sein Meister und Vorbild war.

11. Variationen zum Leierkasten (um 1840)
(Worte: Adolf Glassbrenner – Weise: „Guter Mond, du gehst so stille“, seit 1800)

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Eine trügerische biedermeierliche Idylle zeichnet der Berliner Poet Adolf Glassbrenner in seinem Gedicht „Variationen zum Leierkasten“ liebevoll auf die Melodie von „Guter Mond, du gehst so stille“ nach, in welchem er auf die vermeintliche Behaglichkeit und trügerische Ruhe dieser Jahre vor der Revolution anspielt, die realiter durch Unterdrückung und mannigfache politische Repressionen gekennzeichnet waren.

12. Von der Walhalla die Rede seiend
(Worte: Hoffmann von Fallersleben – Weise: „Als Adam, als Adam die Eva gesehn“)

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In Hoffmanns von Fallersleben auf die Weise von „Als Adam, als Adam die Eva geseh’n“ verfassten Spottlied auf den auf Geheiß des damaligen bayerischen Königs Ludwigs I. von Leo von Klenze in den Jahren von 1830 bis 1842 errichteten „Ruhmestempel“ Walhalla bei Donaustauf in der Oberpfalz, in dem seit seiner Fertigstellung bedeutende Deutsche sowie mit der Geschichte Deutschlands und der deutschsprachigen Völker verbundene Persönlichkeiten mit Marmorbüsten und Gedenktafeln geehrt werden, macht sich der Dichter zum einen über diese architektonische Schöpfung, zum anderen indirekt auch über deren Bauherren lustig.

13. Trostlied eines abgesetzten Professors (1842)
(Worte: Hoffmann von Fallersleben – Weise: „Mir fehlet die Freiheit auf Erden“)

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Hier hat Hoffmann von Fallersleben seine Amtsentsetzung und das darauffolgende Berufsverbot thematisiert. Seit den 1830er Jahren Professor der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Breslau wurde er 1841 wegen seiner Gedichte und Lieder, in denen es unter anderem immer wieder auch um das politische Schicksal, das Wohl und Wehe Deutschlands ging, seines Lehrstuhls enthoben und führte in der Folge jahrelang ein unstetes Wanderleben als „Politflüchtling“, welches 1854 mit seinem Aufenthalt in Weimar endete, wo er sechs Jahre lang arbeitete und hier eng mit Franz Liszt verbunden und befreundet war, in dessen Haus Hoffmann neben seinen literarischen und wissenschaftlichen Arbeiten oftmals als „Maître de Plaisir“ fungierte. Durch Vermittlung der Familie Liszt wurde er 1860 schließlich Bibliothekar des Herzogs von Ratibor in dessen Schloss in Corvey, wo er schließlich auch sein Leben beschloss. Hoffmann selbst hat seinem „Trostlied“ ursprünglich die Melodie eines bekannten Liedes aus der Napoleonzeit – „Nachts um die zwölfte Stunde verlässt der Tambour sein Grab“ – unterlegt, wir haben diese Weise jedoch durch die Melodie des anonym verfassten Liedes „Mir fehlet die Freiheit auf Erden“ ersetzt, das sich im Jahr 1867 mit der Erschießung des aus dem österreichischen Haus Habsburg stammenden Kaisers Maximilian von Mexiko befasste, und das 1908 in der schlesischen Grafschaft Glatz aufgezeichnet wurde. Hier und in Breslau hatte Hoffmann um 1840 selbst zahlreiche Lieder gesammelt, die er später zusammen mit Ernst Richter als „Schlesische Volkslieder“ herausgab.

14. Spießbürger Tugend
(Worte: Hoffmann von Fallersleben – Weise: „Ein Jäger aus Kurpfalz“)

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Thema dieses Liedes Hoffmanns von Fallersleben ist das Wirtshaus als Heimstätte und „Heimat“ des politisierenden deutschen Spießbürgers und Stammtischphilisters, der dann bei Anbruch der Polizeistunde nach bierseligem Räsonnieren friedfertig nach Hause trottet und die Bettdecke über seine Zipfelmütze zieht, dies ein Sujet, das bei Hoffmann – aber nicht nur bei diesem – immer wieder auftaucht. So stammen aus seiner Feder zahllose „Michellieder“, in denen er mit seinen bürgerlichen Zeitgenossen, die sich mit den widrigen Verhältnissen abgefunden haben bzw. sich aus allen zeitpolitischen Auseinandersetzungen herauszuhalten pflegen sarkastisch abrechnet. Verfasst wurde die „Spießbürger Tugend“ dabei auf die Melodie des bekannten Liedes „Ein Jäger aus Kurpfalz“, das noch bis weit ins 20. Jahrhundert eines der bekanntesten Chor- und Volkslieder war. Der Text dieser Vorlage ist dabei schon seit 1763 nachweisbar, die Melodie wurde 1807 in Schwaben aufgezeichnet und 1839 von Erk-Irmer veröffentlicht.

15. Die große Hungersnot
(Worte und Weise: Anonym)

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Wir haben dieses und die folgenden beiden Lieder, die an sich nichts mit dem Vormärz zu tun haben, mit in dieses Programm übernommen, um damit auf den „Volksliedsammler“ Hoffmann von Fallersleben hinzuweisen, der mit seinen „Schlesischen Volksliedern“ seinerzeit eine der ersten regionalen Liedsammlungen zusammengetragen hat. Auch war Hoffmann unseres Wissens der erste Universitätsgelehrte, der – damals noch als Professor in Breslau – eine Vorlesung über das Volkslied an einer deutschen Hochschule gehalten hat. Bei „Die große Hungersnot“ handelt es sich um ein ehemals wohl weitverbreitetes Lied, das mit seiner schlichten Darstellung und der schwermütigen Melodie zu den vermutlich eindruckvollsten deutschen Soldatenliedern gehört. Es findet sich bereits in dem 1848 erschienenen Deutschen Volksgesangbuch von Hoffmann von Fallersleben. Dabei ist unklar, ob sich die Schilderung auf die schreckliche Hungersnot während des 30jährigen Krieges oder auf den Siebenjährigen Krieg in Schlesien bezieht.

16. In einem kühlen Grunde
(Worte: Joseph von Eichendorff Weise: Friedrich Glück)

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Bei Joseph von Eichendorffs aus dem Jahr 1809 stammenden und erstmals 1814 von Friedrich Glück vertonten „In einem kühlen Grunde“ handelt es sich um das wohl bekannteste Abschiedslied der deutschen Romantik. Eichendorff verfasste sein Lied auf seinem Gut Lubowitz – bei Ratibor in Oberschlesien – wohin er nach seiner Studienzeit, unter anderem in Halle und Heidelberg, zurückgekehrt war. „Der kühle Grund“ ist ein kleines Tal im Gebiet von Heidelberg. Hier hatte der schlesische Adelige Joseph von Eichendorff anlässlich seines zeitweiligen Studienaufenthaltes im Februar 1808 die Rohrbacher Küferstochter Katharina Barbara Förster kennen und lieben gelernt, wobei diesem Liebesverhältnis jedoch kein Glück beschieden war, sondern es durch irgendein plötzliches Ereignis oder durch das Eingreifen der Familie des Mädchens unterbrochen wurde. Eichendorff nahm dies zum Anlass, unter dem Titel „Untreue“ eine Klage im romantischen Weltschmerz-Tenor zu verfassen und verließ am 05. April 1808 überstürzt Heidelberg, um nach Paris zu reisen. Er hat Barbara Förster niemals wiedergesehen. Seine „Klage“ wurde in der Folge zu einem der bekanntesten und langlebigsten „Volkslieder“ der deutschen Romantik, zumal als es durch die Komposition Friedrich Glücks bzw. durch die Männerchorbearbeitung von Friedrich Silcher seit 1826 („Volkslieder für vier Männerstimmen“) eine so starke Verbreitung gefunden hatte, dass es schon bald in zahlreiche Liedersammlungen aufgenommen wurde. Joseph von Eichendorff war dabei auch ein politisch tätiger Mensch. So nahm er in den Jahren von 1813 bis 1815 als Lützower Jäger aktiv an den Befreiungskriegskämpfen gegen die napoleonischen Truppen teil. Zu einem „Vormärzdichter“ wurde er insofern, als Robert Schumann während des Schweizer Sonderbundkrieges im Dezember 1847 diese Ereignisse zum Anlass nahm, Eichendorffs Gedicht „Der Eidgenossen Nachtwache“ aus dem Jahr 1809 zu vertonen und in einen aktuellen Bezugsrahmen zu stellen.

17. Und in dem Schneegebirge
(Worte und Weise: Anonym)

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„Und in dem Schneegebirge“, das auch heute noch bekannteste „schlesische Volkslied“, fand Hoffmann von Fallersleben ebenfalls während seiner Feldforschungen in Schlesien. Die erste Strophe, die auf ein altes Jungbrunnenlied aus dem Glatzer Schneegebirge zurückgeht, und die seit den 1530er Jahren bekannt ist, wurde durch Strophen eines alten Wanderliedes ergänzt, die sich als Zwiegesang anschlossen. Die Melodie wurde in Breslau aufgezeichnet und von Hoffmann von Fallersleben und Ernst Richter ebenfalls in deren Sammlung „Schlesische Volkslieder mit Melodien“, Leipzig 1842 veröffentlicht. Wir haben uns bzgl. unserer Version eng an das Arrangement gehalten, das wir in den 1970er Jahren von Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz gehört haben.

18. Das Blutgericht (1844)
(Worte: Anonym – Weise: „Es steht ein Schloss in Österreich“)

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Als bekanntestes Lied, welches sich mit dem elenden Schicksal der schlesischen Weber Mitte der 1840er Jahre auseinandersetzt, das 1844 schließlich sogar zu einem dann blutig unterdrückten Hungeraufstand in Peterswaldau und Langenbielau führte, gilt nach wie vor das „Blutgericht“. Bei diesem in voller Länge 24-strophigen Lied handelt es sich dabei um eines jener Beispiele, die nicht nur auf bestehende Ereignisse Bezug nehmen, sondern seinerzeit gleichzeitig zum Mitauslöser für Aktionen wurden. Das Lied ist insofern indirekt auch in die deutsche Literaturgeschichte eingegangen, als Gerhard Hauptmann in seinem naturalistischen Drama „Die Weber“ darauf sowie auf die Ereignisse Bezug genommen und die Letzteren verewigt hat. Der Text des „Blutgerichts“ war dabei auf die Melodie des Liedes „Es liegt ein Schloss in Österreich“ verfasst worden, einer Ballade, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Zahlreiche Gruppen des Deutschfolk-Revivals haben das „Blutgericht“ in den 1970er Jahren für sich entdeckt und – wenigstens zeitweilig – zum Leben wiedererweckt.

19. Die Weber (1844)
(Worte: Heinrich Heine – Weise: Jörg Ermisch)
(Hörbeispiel ist nicht verfügbar)

Ebenfalls auf diese Weberunruhen bzw. die damit verbundenen Opfer nimmt Heinrich Heine in einem Gedicht „Die schlesischen Weber“ Bezug, das sich bereits am 10. Juli 1844 im Pariser „Vorwärts“ abgedruckt fand, und in welchem der Dichter eine Drohung gegen den als Hauptverantwortlichen für das Weberelend und die blutigen Ereignisse in Schlesien angesehenen preußischen König Friedrich Wilhelm IV. ausstößt. Auch dieses Gedicht wurde in den 1970er Jahren wiederentdeckt und erlebte viele Vertonungen, wobei diejenige des Musikerkollegen und verehrten Freundes Jörg Ermisch („Liederjan“) herangezogen wurde, die uns persönlich am meisten zusagte. Auch bezüglich des Arrangements haben wir uns eng an den „Liederjans“ orientiert, deren Aufnahem wir hier wärmstens empfehlen.

20. Sie sähn es gern, ich würde kirre (1844)
(Worte: Robert Prutz – Weise: Norman Blake)
(Hörbeispiel ist nicht verfügbar)

Auch Robert Eduard Prutz (1816-1872), ein seinerzeit bekannter, wenn auch heute leider ebenfalls weitgehend vergessener überzeugter demokratischer Dichter aus Stettin / Pommern, der nur zu oft an den Verhältnissen in der Heimat litt, ruft in seinem Gedicht aus dem Jahr 1844 dazu auf, sich nicht unterkriegen zu lassen und aktiv und mutig für seine Überzeugungen einzutreten. Als überzeugter Junghegelianer hatte Prutz dabei oftmals unter Willkürmaßnahmen der Behörden zu leiden. So wurde mehrfach seine Absicht, sich an der Universität Jena zu habilitieren durch die Weimarische Regierung verhindert, da Prutzens enge Freundschaft mit Georg Herwegh bekannt und aktenkundig war. Mehrfach wurde Prutz auch wegen seiner Dichtungen des Landes – seien es Weimar oder Preußen – verwiesen, die Aufführung von Werken („Moritz von Sachsen“) untersagt, ein Hochverratsprozess gegen ihn angestrengt, desgleichen seine im Winter 1847 veröffentlichten „Vorlesungen über die Literatur der Gegenwart“ bereits nach dem ersten Vortrag verboten. Gleichwohl wurde er im Frühjahr 1849 als Professor der Literaturgeschichte an die Universität Halle berufen, wo er jedoch weiterhin aus seinen liberalen Einstellungen keinen Hehl machte. Verschiedene Schwierigkeiten und Anfeindungen vor allem seitens Universitätskollegen, denen er sich immer wieder ausgesetzt sah, bewogen ihn 1858 schließlich jedoch dazu, der Universität von sich aus den Rücken zu kehren. Prutz zog sich nunmehr in seine Heimatstadt Stettin zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte und journalistisch tätig war und einem der Stammväter des deutschen Journalismus wurde. Wir verweisen auf die Aufnahme von „Planxty“.

21. Trotz alledem (1844)
(Worte: Ferdinand Freiligrath – Weise: Lady McIntoshs Reel)

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Ferdinand Freiligrath hat in seinem 1844 verfassten Lied „Trotz alledem“ eigentlich nur eine fast wortgetreue Übersetzung des Liedes „For a that and a that“ von Robert Burns vorgelegt, d wobei auch Freiligraths Version auf die Weise von „Lady McIntoshs Reel“ gesungen wurde, nachdem sich die zunächst dem Freiligrathschen Text unterlegte Weise von „Als Noah aus dem Kasten kam“ nicht hatte durchsetzen können. Weitaus bekannter und populärer wurde jedoch die folgende Textfassung, die Ferdinand Freiligrath im Sommer 1848 angesichts der Rückkehr des Prinzen Wilhelm von Preußen, des Kartätschenprinzen, der ein Jahr später zum Totengräber der Revolution in Südwestdeutschland werden sollte, auf das Erstarken der Reaktion hin aktualisiert verfasste. Die Textzeile „Trotz alledem“ krönte später den sozialdemokratischen „Vorwärts“ und wurde zu einem populären Slogan der Arbeiterbewegung. Relativ weit verbreitet war die 1848er Liedversion vor allem auch in den 1970er Jahren, als viele Gruppen und Einzelsänger des Deutschfolkrevivals, dessen erste Anfänge bereits auf den „Waldeck-Festivals“ ab Mitte der 1960er Jahre festzumachen sind, sich des Liedgutes der Vormärzzeit annahmen und auch „Trotz alledem“ in ihre Repertoires übernahmen. In der Folge entstanden auch weitere aktualisierte Fassungen, welche aktuelle Ereignisse jener Jahre aufgriffen und thematisierten.

22. Freifrau von Droste-Vischering (1844)
(Worte: Rudolf Löwenstein – Weise: Anonym)

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Auf die seinerzeit vielkritisierte und bespöttelte Ausstellung des „Heiligen ungenäthen Rockes Jesu“ im Jahr 1844, in deren Gefolge die deutsch-katholische Bewegung entstand, die – vor allem am Rhein und auch in Schlesien – einen großen Teil des angewachsenen Oppositionsgeistes in sich aufnahm, reagierte Rudolf Löwenstein, Redakteur der satirischen Zeitschrift „Kladderadatsch“ mit seinem Spottlied, welches die Freifrau von Droste-Vischering, eine gutgläubige Nichte des Kölner Erzbischofs Clemens August von Droste in den Mittelpunkt stellt, die sich von der ausgestellten Reliquie die Heilung ihrer Gebrechen verspricht. Der Heilige Rock, eine Tunika, in welcher angeblich Wollfäden aus dem Gewand Jesu eingearbeitet sein sollen, und die – wie die Trierer Kirchengeschichte zu berichten weiß – von Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin des Großen von deren Pilgerreise im 4. Jahrhundert aus Jerusalem mitgebracht worden und der Trierer Kirche geschenkt worden sein soll, wurde früher in unregelmäßigen Abständen der Öffentlichkeit vorgestellt, wobei die zahlreichen frommen Pilger diese Reliquie nur gegen Entrichtung eines nicht unerheblichen Obulus betrachten durften. So strömten im Jahr 1844 innerhalb von nur sieben Wochen über 500 000 Menschen nach Trier, was für die Kirche ein erhebliches Geschäft bedeutete. Auch heute noch finden in bestimmten Abständen Ausstellungen dieser „Reliquie“ statt.

23. Ludwig I. und Lola Montez
(Worte: Adolf Glassbrenner – Weise: „Prinz Eugenius, der edle Ritter“)

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Mit „Prinz Eugenius, der edle Ritter“ bildet eines der bekanntesten, populärsten und verbreitetsten historischen Lieder des 18. Jahrhundert die musikalische Grundlage zu dem Lied „Ludwig I. und Lola Montez“, welches der demokratische Berliner Literat Adolf Glassbrenner Anfang 1848 auf die Episode um den bayerischen König Ludwig und dessen „Busenfreundin“ und Vertraute Lola Montez verfasste. Das Lied geht auf die „Vorgeschichte“ dieses Paares und auf Einzelheiten ihrer Beziehung und der sich darum rankenden Ereignisse ein, wobei Glassbrenner sich nicht scheut, hier auch erotische Anspielungen zu machen (Str. 1: „ … Eine Tänz’rin Lola Montez nur verstand und konnt’ es ihn zu rühren allerwärts– Str. 4: „Kurzen Rockes musst’ sie tanzen, so dass man oft sah den janzen … Tag den König bei ihr sein. So kam’s, dass er unterdessen Baiern hatte janz verjessen über Lola Montez’ Bein.“). Weiterhin kommt die Erhebung Lolas in den Adelsstand („Gräfin Landsfeld“) sowie die Empörung weiter Kreise der bayrischen Bevölkerung zur Sprache, die schließlich zur Entfernung der königlichen Mätresse aus der bayerischen Metropole führte und mittelbar den Anlass zur Demission des bayerischen Königs im Februar 1848 bot.
Das Originallied „Prinz Eugenius“, welches die Belagerung und Einnahme der Stadt Belgrad durch Eugen von Savoyen im Jahr 1717 während des sechsten österreichischen Türkenkriegs beschreibt und das vermutlich unmittelbar nach der Einnahme der Stadt von einem Soldaten der österreichischen Armee gedichtet worden war, findet sich zuerst in der „Musikalischen Rüstkammer auf der Harfe“, Leipzig 1719 aufgezeichnet. Durch seine Popularität und weite Verbreitung in der Bevölkerung hat das Lied verschiedene weitere Lieder und musikalische Werke beeinflusst, seine Weise hat immer wieder Liedermacher zu Kontrafakturen angeregt, sodass sie immer wieder in den unterschiedlichsten Zusammenhängen Verwendung fand. Eine ebenfalls auf diese Melodie verfasste Kontrafaktur, die vermutlich bereits im Jahr 1845 von Dr. Netteler, später Oberlandes-Chefpräsident des Oberlandesgerichts Naumburg, gedichtet worden war und sich vor allem während des Deutschfolkrevivals in den 1970er/80er Jahren großer Popularität erfreute, war das „Bürgerlied“.

24. Schwarz-Rot-Gold (1848)
(Worte: Ferdinand Freiligrath, 17.03.1848 – Robert Schumann, 04.04.1848)

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Wie viele andere Zeitgenossen war auch Ferdinand Freiligrath angesichts der Märzunruhen in Paris voller Hoffnung auf die baldige Errichtung einer neuen Republik auch in Deutschland unter den Farben Schwarz-Rot-Gold, der Trikolore, die von den Uniformen der Lützower Jäger herrührte, und die sich vor allem die revolutionären Burschenschaften zu eigen gemacht hatten, wie er am 17. März 1848, am unmittelbaren Vorabend der revolutionären Ereignisse in Berlin in einem Gedicht kundtat. Dabei äußerte er in der letzten Strophe den Wunsch
„Und der das Lied für euch erfand
In einer dieser Nächte,
Der wollte, dass ein Musikant
Es band in Noten brächte!
Heißt das: ein rechter Musikant! (…)“
Und dieser Wunsch sollte alsbald in Erfüllung gehen, als das freiligrathsche Gedicht „Schwarz-Rot-Gold“ bereits am 04. April 1848 durch keinen Geringeren als Robert Schumann eine kongeniale Vertonung fand. Freiligrath erlebte den Ausbruch der Revolution im Frühjahr 1848 in London, wo er seit September 1846 erneut als kaufmännischer Angestellter tätig war, und wo er sich zu dieser Zeit gerade mit dem Gedanken trug, nach den USA auszuwandern. Nunmehr übersiedelte er voller Hoffnung nach Deutschland, wo in der Folgezeit viele seiner politischen Gedichte entstanden, etwa am 25. Februar 1848 „Im Hochland fiel der erste Schuss“, am 26. Februar „Die Republik“, am 17. März unser Lied „Schwarz-Rot-Gold“, am 25. März „Berlin“ und „Ein Lied vom Tode“, am 30. April Gedichte, die den Kämpfen im übrigen Deutschland gewidmet waren und die vor allem in der „Deutschen Zeitung“ sowie auf zahlreichen Flugblättern erschienen und hauptsächlich im Rheinland große Verbreitung fanden.

25. Berliner Demokratenmarsch
(Worte: Moritz Loevinson – Weise: Hermann Hauer )
(Hörbeispiel ist nicht verfügbar)

Den Text des „Berliner Demokratenmarsches“, eines martialischen Kampfrufes verfasste Moritz Loevinson, der 1820 in Danzig geboren worden war, sich 1848 aktiv an den Kämpfen in der preußischen Metropole beteiligte und 1887 in seiner Wahlheimat Berlin starb. Bereits als Gymnasiast hatte sich Loevinson für die Ideen radikal-demokratischer Burschenschafter wie Carl Follen interessiert und begeistert. Wir haben unsere Version des Demokratenmarsches von den Kollegen der Gruppe „Wacholder“ gelernt, die wir auf einer vom Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg i. Br. herausgegebenen CD zur Revolution von 1848 aus dem Jahr 1998 gehört und von dort entlehnt haben. Wir verweisen auf die Aufnahme von „Wacholder“.

26. Wir wollen ihn nicht haben
(Worte: Anonym, März 1848 – Weise: Bär)

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Das Flugblattlied „Wir wollen ihn nicht haben“, eine Zusammenstellung zweier Lieder sowie Kontrafaktur auf die Melodie des beliebten „Rheinliedes“ („Sie wollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein“) von Nikolaus Becker aus dem Jahr 1840, wendet sich entschieden gegen den Prinzen Wilhelm, den Bruder König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen als Scharfmacher und verhassten Vertreter der „Militärpartei“ am Königshof in Berlin. Er reorganisierte das preußísche Militär, dessen Oberbefehl er nach seiner Rückkehr aus dem englischen Exil im Sommer 1848 ab Anfang 1849 innehatte, zur blutigen Niederschlagung der Revolution in Baden und der Pfalz. 1871 sollte Wilhelm zum ersten deutschen Kaiser werden.

27. Steh’ ich in finstrer Mitternacht (1848)
(Worte: Anonym, Altenburg/Thüringen – Weise: „Ho Ro Mo Nighean Donn Bhóidleach“)

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Hier geht es um die unmittelbaren Erfahrungen eines Soldaten während der Zeit der Volkserhebungen des Jahres 1848. Normalerweise waren die Soldaten früher in Privatquartiere einquartiert worden, was zum einen für das Militärbudget günstig, zum anderen für die Soldaten angenehm und bequem war, hatten sie doch in vielen Fällen „Familienanschluss“ und wurden mit versorgt. In der Revolutionszeit jedoch mussten sie im Regelfall biwakieren oder wurden in Garnisonen untergebracht, wodurch verhindert werden sollte, dass sie private Kontakte aufnahmen und mit der Bevölkerung fraternisierten. Ursprünglich wurde der Text auf ein bereits existierendes Lied gleichen Titels von Wilhelm Hauff (1802-1827), Schriftsteller des deutschen Biedermeier und einer der Hauptvertreter der Schwäbischen Dichterschule, verfasst, welches jener Mitte der 1820er Jahre geschrieben hatte. Wilhelm Hauff ist uns vor allem durch seine Märchen- und Sagensammlungen („Das Wirtshaus im Spessart“ u.a.) bekannt. Sein Lied war seinerzeit sehr populär, kam mit Auswanderern sogar mit in die USA, wo sich zwei angloamerikanische Versionen finden. Da uns die Melodie nach den langen Jahren, in denen sich das Lied in unserem Repertoire befand, inzwischen zu „abgespielt“ erschien, haben wir uns hier einer Weise schottischen Ursprungs bedient, die wir von der Rankin Family aus Nova Scotia gelernt haben.

28. Guckkastenlied vom großen Hecker (1848)
(Worte: Karl Gottfried Nadler – Weise: „Weißt du wie viel Sternlein stehen?“)

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Unter dem Pseudonym „Johann Schmitt, Spielmann bei den Hessen“ verfasste der Pfälzer Jurist und Mundartdichter Karl Gottfried Nadler nach dem Scheitern des Heckerzuges im April 1848 eine umfang- und detailreiche Spottballade auf den pfälzischen Rechtsanwalt, Abgeordneten und Revolutionär Friedrich Hecker, der bestrebt war, einer Stagnation der revolutionären Bewegung entgegenzuwirken und die Revolution in Südwestdeutschland zusammen mit seinem Kollegen Gustav von Struve in demokratischem Sinne weiterzutreiben. Dabei erlitten die Revolutionäre am 20. April aufgrund ihrer Unerfahrenheit sowie der zahlenmäßigen und waffentechnischen Überlegenheit der konterrevolutionären hessisch-badischen Truppen unter dem General Friedrich von Gagern und der soldatischen Disziplin bei Kandern eine erste bereits alles entscheidende Niederlage. Dies änderte sich auch bei den nachfolgenden kleineren Gefechten nicht. Am 21. April wurde eine ihrer Kolonnen bei Steinen im Wiesental geschlagen, zwei Tage später wurden von Güntherstal gegen Freiburg vorrückende Zuzüge zurückgeworfen, am 24. April schließlich fiel Freiburg dem Sturmangriff der Linientruppen aus mehreren deutschen Bundesstaaten zum Opfer. Bereits einen Tag vorher hatte Georg Herweghs aus Frankreich zur Unterstützung herbeieilende Freischar nach ihrem Übersetzen über den Rhein bei Nieder-Dossenbach durch die Württemberger Truppen eine Niederlage erlitten und wurden aufgerieben, wobei Georg Herweghs selbst, ebenso wie Friedrich Hecker, die Flucht in die Schweiz gelang. All diese militärischen Ereignisse und ihre Protagonisten wurden von Nadler sarkastisch und spöttisch beschrieben, wobei dies etwa der Popularität Friedrich Heckers keinen Abbruch tat.
Wir haben uns dabei auf einige wenige Strophen dieses umfangreichen „Textkonvoluts“ beschränkt, welche wir auf die Weise von „Weißt du wie viel Sternlein stehen“ singen.

29. Beamtenwillkür treibt mich fort
(Worte: Friedrich Hecker – Weise: „Morton Bay“)

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Ein die USA idealisierendes Lied, welches der Feder Friedrich Heckers entstammen soll, der nach dem Scheitern des nach ihm benannten „Heckerzuges“ in Baden im Sommer 1848 nach Amerika auswanderte und sich dort als Farmer in Illinois niederließ. Zeitweise nahm Hecker in seiner neuen Heimat als Führer deutschstämmiger Verbände auf Seiten der Nordstaaten am US-amerikanischen Bürgerkrieg der Jahre 1861 bis 1865 teil. Diem Text von „Beamtenwillkür treibt mich fort“ haben wir wir die Weise eines australischen Folksongs unterlegt, „Morton Bay“, den wir von Andy Irvine („Sweenys Men“, „Planxty“, „St Patrick Street“ u.a.) gelernt haben.

30. Das Reden nimmt kein End’ (1848)
(Worte: Georg Herwegh – Weise: „Was kommt dort von der Höh’“)

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Zeitweise auf Seiten Friedrich Heckers kämpfte auch der Arbeiterdichter Georg Herwegh – siehe Kommentar zu Lied Nr. 29 -, welcher der Frankfurter Nationalversammlung vor allem Misstrauen und Spott entgegenbrachte, da er einen aktiven Kampf für die Revolution den bloßen Reden im Parlament vorzog. Was die Paulskirchenversammlung anbelangt, kann man an dieser Stelle wohl ein passendes Zitat des Dichterkollegen und Freundes von Georg Herwegh, Heinrich Heine anführen: „Worte, Worte, niemals Taten, viel Gemüse, niemals Braten!“ Herwegh unterlegte seinem Text dabei die Melodie eines populären Studentenliedes aus dem 18. Jahrhundert, das, wie es in vielen Quellen, etwa auch im „Allgemeinen Deutschen Kommersbuch“, Lahr 1858, S. 292 heißt „beim Fuchsritt zu singen“ war. Wir haben das Lied in dieser Version seinerzeit von der Gruppe „Fortschrott“ gehört und übernommen.

31. Den Volksvertretern (1817)
(Worte: Ludwig Uhland – Weise: „Sind wir vereint zu guter Stunde“)

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Im Gegensatz zu dem vorangegangenen Lied Herweghs äußern die Zeilen des Liedes aus dem Jahr 1817 „Den Volksvertretern“ von Ludwig Uhland noch Hoffnungen in Bezug auf eine Nationalversammlung, deren engagiertes und prominentes Mitglied der schwäbische Dichter dann 1848 in Frankfurt werden sollte, den viele heute – wenn überhaupt – nur mehr als Balladendichter oder als Autor der Soldatenklage „Ich hatt’ einen Kameraden“ in Erinnerung haben. Als eine heute ein wenig gravitätisch und pathetisch anmutende Ermunterung für die Abgeordneten hat Ludwig Uhland sein Lied verfasst, das noch einen durchaus optimistischen Tenor aufweist und zum Liedrepertoire vieler‚‘48er gehörte, obwohl schon sehr bald deutlich wurde, dass diesem Parlament kein langes Leben beschieden sein werde.

32. Ich hatt’ einen Kameraden
(Worte und Weise: Ludwig Uhland, 1809)
(Hörbeispiel ist nicht verfügbar)

Das bekannteste Lied des schwäbischen Gelehrten, Liedsammlers, Poeten und Politikers Ludwig Uhland ist wohl nach wie vor „Der gute Kamerad“, der auch heute noch – oftmals in einer bloßen Instrumentalfassung – am Volkstrauertag zu hören ist und an die Opfer der beiden Weltkriege erinnern soll. Unter dem Eindruck der Napoleonischen Kriege hatte Uhland dieses Lied 1809 geschrieben, das sich bemerkenswert von anderen „Kriegs- und Hassgesängen“ vieler Zeitgenossen abhebt und zum Volksgut geworden ist. Dennoch hat dieses Lied dazu geführt, dass Ludwig Uhland auch in unseren Tagen bisweilen von Menschen, die der Geschichte und seiner Biographie unkundig sind, als Nationalist und Ultrakonservativer abgestempelt wird, wie wir in Gesprächen bisweilen erfahren mussten

33. Abschied
(Ludwig Uhland / U. Otto / D. Buskin)
(Hörbeispiel ist nicht verfügbar)

Bei Ludwig Uhlands „Abschied“ aus dem Jahr 1809 handelt es sich um ein romantisches Lied, in welchem der Dichter seinen heimlichen Abschied von seiner Vaterstadt Tübingen thematisiert hat, und dem wir – nachdem uns seine Melodie von Konradin Kreutzer aus dem Jahr 1818 nicht zugesagt hat – eine Weise unterlegt haben, die Uli in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre während eines Studienaufenthaltes im Volksliedarchiv in Freiburg / Br. einer LP der Songgruppe „Singspiel“ entnommen hat, nämlich „Wenn ich dich brauche, finde ich dich dann“ aus der Feder von D. Buskin. Uli hat Uhlands Text dabei in den 1980er Jahren um eigene Zeilen ergänzt. Wir verweisen auf die Aufnahme von „Singspiel“.

34. Die gute Polizei
(Worte: Feodor Wehl – Weise: Konradin Kreutzer: „Da streiten sich die Leut’ herum“)

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Dem „Hobellied“ aus der Posse der „Verschwender“ von Ferdinand Raimund hat Feodor Wehl seine Beschreibung der „sehr ungemütlichen Polizei-Allgegenwart im Belagerungszustand seit dem Oktober 1848 in Wien und Berlin beigesteuert. Aber während sich der ‚liebe Valentin’ in der musikalischen Vorlage des Liedes in sein Schicksal fügen und dem Tod ‚keine Umstände’ machen will, wird im neuen Text in ironischer Überspitzung vorgeführt, dass man die polizeiliche ‚Fürsorglichkeit’ gerne entbehren würde. Im übrigen kann man sich sinnvollere Aufgaben für die Polizei vorstellen. ‚Und wo man stahl im guten Reich, Da kommt sie später an’. Vor Diebstählen konnte sie die Bürger wohl nicht so effektiv schützen wie den Staat vor möglichen Aufrührern“. (so der treffende Kommentar von Barbara Boock nach dem CD-Inlay von 1848 „…weil jetzt die Freiheit blüht“. Lieder aus der Revolution von 1848/1849“, hrsg. vom Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg/Br. 1998.), dem man wohl kaum etwas hinzufügen kann. Wir haben das Lied von den „Liederjanen“ kennen gelernt.

35. Nun hütet euch, ihr Fürsten (November 1848)
(Worte: Anonym – Weise: “Bonny Woodhall“)

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Eines der vielen Lieder, die sich mit dem tragischen Schicksal des Paulskirchenabgeordneten und Führers der dortigen Linken Robert Blum beschäftigen. „Nun hütet euch, ihr Fürsten“, lässt es dabei nicht bei der Erschießungsszene des 08. November 1848 in der Brigittenau in Wien bewenden, sondern geht auf die Vorgeschichte von Robert Blums tragischem Ende ein. Blum war zur Unterstützung der Revolution in Wien zusammen mit seinem Parlamentskollegen Julius Fröbel in die österreichische Hauptstadt geeilt. Auf ihre diplomatische Immunität aufgrund ihres Abgeordnetenstatus vertrauend verblieben die beiden auch nach dem Zusammenbruch der Wiener Herbstrevolte in der österreichischen Metropole. Das Kriegsgericht verurteilte Blum und Fröbel zum Tode. Ein Schreiben, in welchem die Hinrichtung der beiden Abgeordneten ausgesetzt werden sollte, kam für Robert Blum zu spät. Fröbel wurde begnadigt und aus Österreich abgeschoben. Wir haben den anonymen Text an einigen Stellen leicht verändert, ihn von „antislawischen Tönen“ gereinigt, und uns der Melodie eines iroschottischen Liedes – „Bonny Woodhall“ – bedient, die wir in den 1980er Jahren während eines Irlandaufenthaltes in Gorey von Andy Irvine und Paul Brady gelernt haben. Ursprünglich war der Text auf die Melodie des „Andreas Hofer-Liedes“ verfasst worden.

36. Badisches Wiegenlied (1849)
(Worte: Karl Ludwig Pfau – Weise: Volksweise)

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Der Feder von Karl Ludwig Pfau (*25.08.1821 in Heilbronn – +12.04.1894 in Stuttgart) entstammt das „Badische Wiegenlied“, die wohl bewegendste Klage ob der preußischen Unterdrückungsmaßnahmen nach der endgültigen Niederschlagung der Revolution im Südwesten Deutschlands im Frühsommer des Jahres 1849, der zahllose Demokraten zum Opfer fielen und die viele Badener in der Folge zur Auswanderung – vor allem in die Vereinigten Staaten von Amerika als damaligem Hoffnungsträger und Zielland – bewog. Gegen das Wiedererstarken der Reaktion und deren Vorgehen gegen die revolutionären Errungenschaften des März 1849 – an deren Spitze sich die preußische Soldateska unter dem Oberfehl des „Kartätschenprinzen“, des Prinzen Wilhelm von Preußen, des späteren deutschen Kaisers Wilhelm I. setzte – und für die Erhaltung demokratischer Rechte hatte es 1849 mehrere Volksaufstände, so im Rheinland, in Westfalen, Sachsen, in der Pfalz und in Baden gegeben, die diesmal, – im Gegensatz zu früheren Revolten -, etwa in der Pfalz vom einheimischen Militär unterstützt wurde. Auf diese Kämpfe bezieht sich das „Badische Wiegenlied“ implizite. Das badische Rastatt wurde zur letzten Festung des badischen und pfälzischen Aufständischen, die der preußischen Soldateska hinhaltenden Widerstand leisteten. Als Rastatt Ende Juli 1849 gleichwohl vor der Übermacht kapitulieren musste, wurde eine große Anzahl von Aufständischen standrechtlich erschossen. Hunderte starben in preußischer Gefangenschaft, unzählige Menschen suchten ihr Heil in der Auswanderung. Noch jahrelang musste die Region unter der preußischen Besatzung leiden, was feindselige Gefühle wach hielt. Wenn Pfau leider auch inzwischen bei einer breiteren Öffentlichkeit weitestgehend in Vergessenheit geraten ist, wurde sein „Badisches Wiegenlied“ zu einem echten „Volkslied“, das in zahlreichen Varianten verbreitet noch lange Zeit gesungen und während des Deutsch-Folkrevivals der 1970er Jahre schließlich von zahlreichen Musikgruppen wiederentdeckt wurde.

37. ’s ist wieder März geworden
(Worte: Anonym – Weise: Ferdinand Maßmann „Ich hab’ mich ergeben“)

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Einer ausgewählten Blumenmetaphorik bediente sich der anonym gebliebene Verfasser von „’s ist wieder März geworden“, einem Lied, welches das Scheitern der demokratischen Kräfte der Jahre 1848/1849 nach der brutalen Niederschlagung der Volksaufstände in Baden und der Pfalz durch die preußischen Truppen unter dem Prinzen Wilhelm thematisiert hat. Dieses poetisch verschlüsselte und doch eindeutig politische „Märzlied“, dessen Blumen einzelne gesellschaftliche Klassen und Kräfte symbolisieren, stand ursprünglich im „Demokratischen Liederbuch“, Stuttgart 1898, das fünfzig Jahre nach der Revolution von 1848 herausgegegen wurde. Geschrieben wurde das Lied auf die Weise eines Burschenschaftsliedes des späteren Germanisten, Lehrers und Sportpädagogen Ferdinand Maßmann (15.08.1797-13.08.1874), „Ich hab’ mich ergeben mit Herz und mit Hand“, aus dem Jahr 1819, welchem die Singweise von „Wir hatten gebauet ein stattliches Haus“ von Daniel August von Binzer zugrunde lag. Wir haben unsere Fassung, was das Arrangement anbelangt, eng an die Version der Kollegen von „Zupfgeigenhansel“ angelehnt, die wir seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre kennen.

38. Ein stolzes Schiff
(Worte: Anonym – Weise: Erich Schmeckenbecher)
(Hörbeispiel ist nicht verfügbar)

Bei „Ein stolzes Schiff“ handelt es sich um das nicht zuletzt durch seine hervorragende Interpretation in den 1970er Jahren durch das erwähnte Duo „Zupfgeigenhansel“ wohl aktuell bekannteste Auswandererlied, das die Emigration aus Deutschland und deren Gründe um die Mitte des 19. Jahrhunderts reflektiert. Armut und Unterdrückung veranlassten nach 1848 drei Millionen Menschen, Deutschland den Rücken zu kehren und ihr Glück und Auskommen im Ausland, hier vor allem in Amerika zu suchen. Ansonsten ist das Genre Auswandererlied bis heute in Deutschland weitgehend „unbearbeitet“ und unbeachtet geblieben. Die kongeniale Vertonung von „Ein stolzes Schiff“ erfolgte durch Erich Schmeckenbecher, der auch heute noch gesellschaftspolitisch und musikalisch sehr aktiv ist. Wir verweisen hier auf die hörenswerte „Zupfgeigenhansel“-Aufnahme.

39. Kein schöner Land in dieser Zeit
(Worte und Weise: Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio)

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Sind viele der vorangegangenen Lieder alsbald weitgehend in Vergessenheit geraten, hat sich das folgende Lied alsbald zu einem regelrechten „evergreen“ und „Volkslied“ entwickelt, dies kein Wunder, da es ob seines unpolitischen und „staatserhaltenden“ Charakters natürlich nicht verboten, vielmehr seine Verbreitung gefördert wurde. Der 1803 in Waldbröd gebürtige Heimatdichter, Volksliedforscher und Liedermacher Zuccalmaglio, der 1869 in Nachrodt verstarb, hat seinem romantisierenden Text eine Umformung der Weisen „Ade, mein Schatz, und ich muss fort“ sowie „Ich kann und mag nimmer fröhlich sein“ unterlegt, und dieses sein Lied hat schon bald seinen Weg in zahllose Liederbücher und ins Repertoire unzähliger Männerchöre gefunden. Wir haben dieses Lied, welches wir an ein Arrangement von Erich Schmeckenbecher angelehnt haben, ganz bewusst mit ans Ende unseres Programmes gestellt, weil es sehr gut den rückwärtsgewandten Geist und die „Innerlichkeit“ des deutschen Bürgertums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts widerspiegelt, nachdem man sich während der „tollen Tage“ 1848/1849 eine blutige Nase geholt hatte.

40. Ade zur guten Nacht
(Anonym)

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Mit „Ade zur guten Nacht“ entstand wohl um 1850 in Thüringen eines der bekanntesten „romantischen“ Abschiedslieder des 19. Jahrhunderts, das wegen seines unpolitischen Charakters im Gegensatz zum missliebigen Lied der Vormärzzeit und der Jahre 1848/1849 wohlgelitten war, bis in unsere Tage tradiert wurde und damit zu einem der bekanntesten und populärsten „Volkslieder“ überhaupt wurde. Nach einer anderen Lesart wurde das Lied zunächst nur in der Rheinpfalz, in Franken und in Sachsen gesungen. Von dort aus fand es jedoch durch die Jugendbewegung sehr schnell seinen Weg in alle Gebiete Deutschlands.

41./42. Dat du min Leevsten büst & Över de stillen Straten
(Worte: Anonym/Theodor Storm – Weise: Anonym/ Ernst Licht

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Als kleines Extra zwei plattdeutsche Lieder, die an sich auf den ersten Blick nichts mit unserem Thema zu tun haben. Es handelt sich um ein von uns zusammengestelltes Medley, welches das heimliche Zusammentreffen eines Liebespaares in der nächtlichen Kammer des Mädchens sowie – um auf die möglichen „direkten Folgen“ der genossenen Liebesfreuden hinzuweisen – ein Wiegenlied von Theodor Storm in Zusammenhang gebracht und verbunden hat. Immer wieder haben junge Leute trotz des – bisweilen vermeintlichen – Widerstandes ihrer „verständnislosen“ Eltern zusammengefunden, immer wieder haben junge Burschen ihre Liebsten in ihrer Kammer besucht und mit diesen zusammen die Nacht verbracht, und dies beileibe nicht nur in Schleswig-Holstein, woher unser Medley stammt, sondern auch anderswo, etwa gerade auch in Bayern, wo das „Fensterln“ auf dem Land mancherorts zeitweise durchaus Usus gewesen zu sein scheint. Sehr oft dürften die Eltern der nächtlichen Besuche durchaus gewahr geworden sein, und in manchen Fällen, nämlich wenn es sich um „den richtigen Burschen“ handelte, dürften diese Besuche nicht einmal unwillkommen gewesen sein. Wenn sich nämlich die richtigen „Brautleute“ fanden, sodass vielleicht eine gute Partie ins Haus stand, d.h. bei einer Hochzeit etwa zwei wohlhabende Familien „fusionieren“ konnten, drückten die Eltern der jungen Leute oftmals wohl mehr als nur ein Auge zu. Wichtig war dabei vor allem, dass die jungen Leute in diesem Fall nicht nur fortpflanzungsbereit sondern auch –fähig waren, damit sich ein Erbe für den weiterzugebenden Besitz einfand. Wenn das Mädchen dann schwanger wurde, musste natürlich geheiratet werden, und bald waren dann auch Wiegenlieder zu hören.
Das um 1850 erschienene Liebeslied „Dat du min Leevsten büst“, welches einen derartigen Besuch thematisiert, stammt aus Schleswig-Holstein, der Verfasser dieses plattdeutschen „Klassikers“, der auch heute noch allenthalben in Deutschland populär und verbreitet ist, ist unbekannt. Ihm folgt Theodor Storms Wiegenlied „Över de stillen Straten“, das wir in den 1960er Jahren seinerzeit in verschiedenen Fassungen – einer mit dem Gitarristen Henri Regnier und einer anderen der Hamburger Sängerin Lale Andersen – kennengelernt haben, wobei die letztere Interpretin mit „Lili Marleen“ schon während des Zweiten Weltkrieges ja einen Evergreen gesungen hat und damit in die (Folk-)Musikgeschichte eingegangen ist. In den 1960ern waren wir von Lale Andersen dabei keineswegs angetan, haben diese seinerzeit eher den unverbindlichen „Schlager- und Schnulzensängern“ zugeordnet, konnten auch mit ihren „Volksliedern“ (noch) nichts anfangen und haben sie von daher vehement abgelehnt., bestenfalls belächelt Erst als wir uns in späteren Jahren noch einmal in anderen Zusammenhängen – und dann auch intensiver – mit ihrer Biographie befassen mussten, nahmen wir zur Kenntnis, dass Frau Andersen eine im besten Sinne unangepasste Frau und zudem auch eine entschiedene und couragierte Gegnerin des NS-Regimes war und sich von diesem nicht hat vereinnahmen lassen. So hat sie sich niemals von ihren jüdischen Freunden losgesagt und etwa Kontakte zu befreundeten Emigranten in die Schweiz gehalten, sich auch nicht zu Propagandazwecken vereinnahmen und missbrauchen lassen, hat sich z.B. geweigert, an einer „Werbetour“ im Warschauer Ghetto teilzunehmen. Von einer Verhaftung und Einlieferung Frau Andersens ins Zuchthaus oder gar KZ haben die Nazis seinerzeit vor allem deswegen Abstand genommen, weil BBC London von einer diesbezüglichen bevorstehenden Aktion gegen sie berichtete und man die „englische Lügenpropaganda“ unter Beweis stellen wollte. Von daher haben wir Lale Andersen im Nachhinein dringend Abbitte zu leisten, was wir hiermit tun wollen.
Theodor Storm wurde am 14.09.1817 im schleswig-holsteinischen Husum geboren und starb am 04. Juli 1888 in Hademarschen bei Rendsburg/Holstein. Er zählte auch heute noch als bekanntester Dichter plattdeutscher Zunge. Sein Gedicht „Över de stillen Straten“ fand durch Ernst Licht (1892-1965) eine kongeniale Vertonung, in welcher das Lied seit vielen Jahren mit in unser Repertoire eingegangen ist.

43. Fuchsmühler Holzschlacht (1894)
(Worte: Anonym – Musik: Regimentsmarsch des 6. Infanterieregiments zu Amberg)

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„Die Fuchsmühler Holzschlacht“ aus dem Jahr 1894 scheint inhaltlich auf den ersten Blick zunächst natürlich nichts mit den Unruhen der Jahre 1848/1849 zu tun zu haben, weist jedoch insofern wieder einen direkten Bezug zur Revolutionszeit auf, als das in den 1890er Jahren im oberpfälzischen Amberg stationierte 6. Infanterieregiment während der unruhigen Jahre Mitte des 19. Jahrhunderts in der damals noch bayerischen Pfalz stationiert gewesen war, und seine Angehörigen 1849 während der dortigen Aufstände zu jenen Truppenteilen gehörten, die sich weigerten, gegen die Revolutionäre vorzugehen, wie uns Alfred Wolfsteiner, einer der besten Kenner der Fuchsmühler Ereignisse und Verfasser einer vorzüglichen Chronik mitteilte. Dies wurde in der Folgezeit – vor allem dann im militaristischen wilhelminischen Kaiserreich – als schmachvoll empfunden und als ein dunkler Fleck auf den Regimentsfahnen angesehen, den es unbedingt zu tilgen galt. Am 29./30. Oktober 1894 ging daher ein Departement des 6. Regiments gegen eine Abteilung unbewaffneter Bauern vor, die – gemäß eines uralten „Gewohnheitsrechts“ – ihr „Rechtholz“ für den Winter im Wald schlagen wollten, nachdem der neue Waldbesitzer und Rechtsinhaber Militär herbeigerufen hatte. Zwei tote Bauern und mehrere Verletzte blieben auf dem Kampfplatz zurück. Das sinnlose Blutbad wurde seinerzeit in der breiten Öffentlichkeit und auch seitens der überregionalen Presse heftig kritisiert und hat lange Zeit in der Erinnerung der einheimischen Bevölkerung überlebt. Es hat also nicht nur im gerade von vielen Bayern immer wieder vielkritisierten Preußen immer wieder gerade auch nach innen gerichtete militaristische Bestrebungen gegeben, um eine eventuell aufmüpfige Bevölkerung durch martialisches und brutales Vorgehen einzuschüchtern, zu disziplinieren und zu bestrafen …
Bei der von uns verwendeten Melodie handelt es sich um den Regimentsmarsch des 6. Regiments, den Uli seinerzeit – was den zweiten Teil anbelangt – rythmisch verändert hat.

Zu diesem Programm gibt es ein 56-seitiges Booklet, das bei Bedarf bestellt werden kann.